Wirtschaftsordnungen aus einer ethischen Betrachtung Drucken
Mittwoch, 03. Dezember 2008 um 11:31

 

1. Ordnung und Ethik

Will man wirtschaftliche Ordnungstheorien diskutieren, muss man sich zuerst darauf einigen, was für eine Art von Ordnung angestrebt werden soll. Selbst wenn ein Vertreter eines strikten Kosmos-Denkens davon ausgeht, eine globale Wirtschaftsordnung entstehe spontan, sofern man sich mit politischen Eingriffen weitgehend zurückhält, muss dieser Kriterien angeben, wie man eine geordnete Welt oder Gesellschaft von einer ungeordneten unterscheiden kann.

Mit der Frage, was für eine Art von Ordnung angestrebt werden soll, ist schon vor Beginn einer wirtschaftlichen Erörterung eine philosophische Grundentscheidung zu treffen. Nach Walter Eucken besteht das Ziel aller Wirtschaftsprozesse in der „Überwindung der individuellen Knappheit“ ; die zu erstrebende Ordnung bezeichnet er als eine, „die dem Wesen des Menschen und der Sache entspricht“ ; sie solle „funktionsfähig und menschenwürdig sein“ . Der Begriff ‚sollen‘ ist ein Begriff der Ethik; über Pflichten jedoch gibt es in einer Welt mit unterschiedlichen Kulturen und pluralen Wertvorstellungen große Meinungsverschiedenheiten. Johannes Müller fordert deshalb von einem moralischen Standpunkt als „tragfähige[r] Begründung einer Ethik der Wirtschaft“, dass dieser „möglichst universal und interkulturell vermittelbar ist“ . Erfahrungen, vor allem solche, die allen Menschen gemeinsam sind, sind viel besser vermittelbar als abstrakte ethische Konzepte und setzen außerdem keine metaphysischen Vorentscheidungen (wie z.B. die Existenz einer menschlichen Seele) voraus; damit erfüllen sie diese Voraussetzungen. Die Erfahrung von Leid und Ungerechtigkeit führt in Verbindung mit der menschliche Fähigkeit, sich in die Lage der Mitmenschen zu versetzen (diese wird von Peter Ulrich als „kognitive Wurzel unserer Moralität.“  beschrieben), zu der kulturunabhängigen Pflicht, menschliche Leiderfahrungen wie Hunger, Armut, Diskriminierung oder Unterdrückung zu verringern.

 „Die Aufgabe wirtschaftlicher Ordnungspolitik bzw. Weltordnungspolitik ist es, den Markt […] so zu steuern, dass er zum Nutzen aller wirksam werden kann.“  Diese Arbeit wurde mit dem Ziel geschrieben, die verschiedenen wirtschaftlichen Ordnungstheorien, vor allem die Theorie der spontanen Ordnung (das Kosmos-Denken), von einem normativ-ethischen Gesichtspunkt her zu beurteilen. Im 5. Kapitel wird erörtert, ob die Idee der spontanen Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft mit dem Ziel einer gerechten Weltordnung vereinbar ist und die ethischen Mindestforderungen, nämlich die Stillung der Grundbedürfnisse und die Garantie der grundlegenden Rechte aller Menschen, erfüllen kann. Im Anschluss wird eine öko-soziale Gestaltung der wirtschaftlichen Rahmenordnung dargestellt, deren Grundlagen es sind, nur marktkonforme Eingriffe in die Wirtschafts-vorgänge zu gewähren und außerdem das sich in einem liberalen Markt schnell entwickelnde „ethische Marktversagen“, das durch fehlende Informationen über die Folgen unethischen Konsums ausgelöst wird, durch eine breite Aufklärung über diese Folgen zu überwinden.

 

2. Kosmos und Taxis

 Aristoteles unterscheidet im 5. Buch seiner Nikomachischen Ethik die distributive Gerechtigkeit (‚Soziale Gerechtigkeit‘) und die kommutative Gerechtigkeit des Tausches:

„Von der Gerechtigkeit im speziellen Sinn und dem in ihrem Sinne Gerechten findet sich die eine Form bei der Verteilung von Ehre, Geld oder anderen Gütern, die unter den Mitgliedern der Staatsgemeinschaft teilbar sind […]. Die andere Form betrifft den Ausgleich in Transaktionen zwischen Menschen. Diese hat wiederum zwei Teile. Von den Transaktionen sind nämlich die einen gewollt, die anderen gegen das eigene Wollen. Gewollt sind zum Beispiel Kauf, Verkauf, Darlehen, Bürgschaft, Nutznießung, Deposition, Miete (man bezeichnet diese als gewollt, weil der Ursprung der Transaktionen im eigenen Wollen liegt). Von den Transaktionen gegen das Wollen sind die einen heimlich, zum Beispiel Diebstahl, Ehebruch, Giftmischerei, Kuppelei, Verführung von Sklaven, Meuchelmord, falsches Zeugnis. Die anderen sind gewaltsam, zum Beispiel Misshandlung, Freiheitsberaubung, Totschlag, Raub, Verstümmelung, Verleumdung, Beleidigung.“

Aristoteles charakterisiert hier das Gerechtigkeitsverständnis einer „Taxis“ und das eines „Kosmos“. Um Gerechtigkeit in der Gesellschaft zu garantieren, ist im Kosmos-Denken die Aufgabe des Staates, den gerechten Verkehr der Einzelnen untereinander zu regeln: Jeder Verkehr muss eine freiwilliger sein; unfreiwillige Transaktionen müssen vom Staat geahndet und bestraft werden. Die Taxis (altgr. Reihenfolge, gute Ordnung; abgeleitet von ta,ssw, altgr. anordnen, unterordnen) ist die Gerechtigkeit der Zuteilung von öffentlichen Gütern. Dieser Begriff wurde auf jede Art von Einmischung des Staates in wirtschaftliche Vorgänge ausgeweitet. Das Ideal einer Taxis ist die Gemeinsamkeit der Ziele ; Es wird versucht, eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu konstruieren, die im Plan der Konstrukteure diese Ziele am schnellsten erreichen kann.

 

3. Reines Taxis-Denken: Planwirtschaft und Kommunismus

 Die Idee einer konstruierten Gesellschaft ist kein Produkt des 19. und 20. Jahrhunderts. Schon Platon war der erste Vertreter eines strikten Taxis-Denkens, in seinem Werk „Politeia“ entwirft er einen totalitären Idealstaat, der aristokratisch von eigentumslosen, zölibatär lebenden Philosophenkönigen regiert wird; nach der Kritik Karl Poppers spricht sich Platon klar für Selektion und Kommunismus aus ; das Ideal der Chancengleichheit wird „bis zu einem eugenischen Zuchtstaat durchgeführt“ . Die Ursprünge des Kommunismus finden sich auch in jüdischer Tradition: Die Forderung, das Land müsse regelmäßig so umverteilt werden, dass jeder Bauer sein Auskommen findet, ist in der Bibel im Buch Levitikus aufzufinden, dem dritten Buch des Pentateuchs.  
 Das kommunistische Manifest von 1848 ist die Grundlage des modernen Kommunismus, der sich als Gegensatz und notwendige Folge des Kapitalismus begreift. Karl Marx kritisiert am Kapitalismus des 19. Jahrhundert, dass Arbeiter nicht entsprechend der durch sie erlangten Wertsteigerung entlohnt werden. Eine Klassengesellschaft entstehe; Menschen würden durch die Profitgier der höheren Klassen ausgenutzt.  Die Überwindung dieser Klassengesellschaft und eine absolute distributive Gerechtigkeit ist das Ziel, besser gesagt die Utopie, des Kommunismus. Alle Mittel, dieses Ziel zu erreichen, würden durch das Ziel gerechtfertigt. Im letzten Abschnitt des Werks von Karl Marx heißt es:

„[Die Kommunisten] erklären es offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnungen. Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern. […]  Proletarier aller Länder – vereinigt euch!“

Obwohl dies nicht im Sinne von Marx war, verlangt nicht nur die Errichtung sondern auch die Aufrechterhaltung eines kommunistischen Staates die Beschränkung vieler Freiheitsrechte und damit die Verursachung von menschlichem Leid. Des Weiteren führt ein System, in dem jeder Arbeiter unabhängig von seiner Leistung denselben Lohn erhält, zu einem Leistungsabfall. Durch diese niedrigere Gesamteffizienz wird es immer schwieriger, die Grundbedürfnisse aller Menschen zu decken.
 Viele kommunistische Versuche in der Vergangenheit bestätigten die Auffassung, dass das System des Kommunismus sowohl weniger effizient als auch menschenunwürdiger als andere Systeme ist. Die hohen Ideale, die man den geistigen Vätern des Kommunismus durchaus zusprechen kann, lassen sich praktisch nicht umsetzen.
 Warum die Planung einer Gesellschaft nicht funktionieren kann und warum ein System mit einer freien Marktwirtschaft viel effizienter ist, lässt sich gut aus den Arbeiten Friedrich August von Hayeks herauslesen. Der Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie erhielt 1972 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

 

4. Reines Kosmos-Denken: Natürliche Evolution

 Die Kernthese F.A. von Hayeks besteht in der Annahme, dass eine Ordnungspolitik durch Eingreifen in die Wirtschaftsvorgänge unmöglich ist, da der Staat sich dabei ein Wissen anmaßt, welches er nie besitzen kann. Hayek spricht von der „Grundtatsache der unvermeidlichen Unkenntnis des Menschen von einem Großteil dessen, worauf das Funktionieren einer Zivilisation beruht.“  Der Staat soll aber nicht nur ein Eingreifen in die Wirtschaftsvorgänge unterlassen, auch soll er den Ordnungsrahmen nicht konstruktivistisch gestalten. Dies beinhaltet eine totale Ablehnung jeder Taxis, jedes sozialistischen Planungsgedankens. Die Grundaufgabe des liberalen Staates ist folglich, einen freien Wettbewerb zu garantieren und Monopole zu unterbinden; der Staat muss ein starker Staat sein – nicht durch eine möglichst hohe Staatsquote wie in Deutschland, aber er muss stark genug sein, um sämtliche Privilegien suchende Gruppen abwehren zu können.  Des Weiteren ist ein geringes Maß an Ordnungspolitik erlaubt, jedoch nur in dem Umfang, wie dieses Monopole verhindern und Privilegienfreiheit garantieren kann : Jedes Unternehmen soll die gleichen Chancen bekommen, am Markt teilzunehmen; keine Gruppe darf vom Staat begünstigt werden.  Dadurch wird der freie Wettbewerb garantiert und die Grundlage für eine spontane Entwicklung der Gesellschaftsordnung gesetzt. Eine solche spontane Ordnung der Gesellschaft nützt das auf Millionen Menschen verteilte Wissen und fordert Eigenverant-wortung – somit ist sie um ein Vielfaches effizienter als alle anderen Systeme.
 Aus ethischer Sicht – so kann man nun einwenden – ist nicht Effizienz das alleinige Ziel aller wirtschaftlichen Vorgänge, sondern immer eine Kombination aus Effizienz und sittlich Gutem.  Hierbei spielen die Würde des Menschen und Verteilungsgerechtigkeit eine große Rolle. Laut John Gray ist die Ansicht des späteren Hayek jedoch, dass Recht und Moral Teil der Naturgeschichte der Menschheit sind.  Hayek überträgt das Prinzip der spontanen Ordnung und des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren auch auf die Gestaltung des Regelrahmens.  Dieser Regelrahmen entwickle sich durch natürliche Evolution und lasse sich nicht nach ethischen Maßstäben beurteilen, da diese Maßstäbe ebenso ein Produkt der kulturellen Evolution seien. Im Kosmos-Denken ist also jede Form der Sozialethik subjektiv. Der kulturellen Evolution müsse man freien Lauf lassen. Da die Schwächeren jedoch meist die weniger Effizienten und weniger Durchsetzungsfähigen sind, gehen sie als Verlierer aus dem Wettbewerb hervor.
Lässt sich die angestrebte Privilegienfreiheit denn überhaupt erreichen? Wenn man nur den Aspekt sieht, dass keine Gruppe vom Staat bevorzugt oder benachteiligt werden solle, ist das – zumindest in der Theorie – machbar. Sowohl den Menschen als auch den einzelnen Staaten in der Welt sind jedoch von Natur aus „Privilegien“ gewährt worden. Menschen besitzen unterschiedliche Stärke, Intelligenz und Begabungen; viele Krankheiten oder Schicksalsschläge sind nicht selbst verantwortet.  Die Menge an Rohstoffvorkommen oder das Klima eines Landes sind Faktoren, die die wirtschaftliche Stärke bzw. die Ausgangsbedingung zu deren Entwicklung stark bestimmen, auf die wir jedoch keinen oder kaum Einfluss nehmen können. Der Weg zu einer echten Privilegienfreiheit kann deshalb nur mit Hilfe wirtschaftlicher Umverteilung begangen werden kann. Doch wird Privilegienfreiheit m. E. im Paläoliberalismus nicht als Ziel, sondern als Effizienz steigerndes Mittel betrachtet; sobald der Punkt der maximalen Effizienz erreicht wurde, wird eine Weiterentwicklung zu einer echten Chancengleichheit nicht mehr in Erwägung gezogen.

 

5. Das Wesen der spontanen Ordnung

 Nach der schottischen Schule muss eine natürliche Ordnung „nicht mit egalisierendem Staatszwang erst herbeigeführt werden, sie ist […] bereits latent da – nur vielfach behindert und verdeckt durch ‚falsche Gesetze‘“ . Das Bild der unsichtbaren Hand vermittelt eine falsche Vorstellung der Idee der spontanen Ordnung: Es ist kein übermächtiges Wesen, das in der paläoliberalen Vorstellung die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorgänge koordiniert und ordnet. Eine Ordnung von der Art, wie sie angestrebt werden solle, sei bereits in der „seelischen Natur des Menschen“  vorhanden. Im spontanen Zusammenwirken der Menschen würden diese Seelenordnungen – falls sie nicht durch konstruierte Institutionen und Regelwerke behindert werden – sich zu einer gesellschaftlichen Ordnung zusammenfügen. Diese „naturpsychische Ordnung“ (Edgar Salin)  ist auch ein Grundgedanke der chinesischen Philosophie: „Eine harmonische Gesellschaft, das ist eine wohlkoordinierte, beginnt nach Konfuzius mit der Ordnung des eigenen Selbst, und von da an politisch hoch bis zur Ordnung des Staates“ .
Hiermit sollte aufgezeigt werden, dass die Idee der spontanen Ordnung eine stark metaphysikbehaftete Theorie ist. (Alexander Rüstow bezeichnet die metaphysischen Grundlagen des Paläoliberalismus als „deistisch-stoische Theologie der prästabilierten Harmonie“ ) Unterzieht man diese Theorie einer ethischen Kritik, könnte sich diese recht gut behaupten – jedoch nur, wenn sie als Prämisse voraussetzt, dass das ethisch richtige Handeln ein Teil der seelischen Natur des einzelnen Menschen ist.

Prämisse 1:  Die seelische Natur des Menschen ist eine ethische.
Prämisse 2:  Die Ordnung der seelischen Natur überträgt sich auf die Ordnung der Gesellschaft,  sofern es keine künstlich geschaffenen Institutionen oder Regelwerke gibt, die dies behindern.
Prämisse 3: Nur Institutionen oder Regelwerke hindern den Menschen daran, nach seiner seelischen Natur zu leben.

Konklusion: Ohne geschaffene Institutionen und Regelwerke entsteht eine ethische Ordnung der Gesellschaft.

In diesem Argument ist das Adjektiv ‚ethisch‘ normativ verwendet: Es verweist auf das Moralprinzip der „allgemeinen normativen Logik der Zwischenmenschlichkeit“ , wie es etwa Peter Ulrich entfaltet.  Ist jedoch Moral – wie von F.A. von Hayek vertreten – ausschließlich ein Produkt eines evolutionären Vorgangs, existiert keine normative Ethik. So ergibt sich ein logischer Widerspruch zu Prämisse 1: Gibt es keine normative Ethik, kann auch der seelischen Natur des Menschen keine ethische Ordnung zugrunde liegen. Des Weiteren lässt sich Prämisse 3 scharf angreifen: Trifft man eine metaphysische Vorent-scheidung zugunsten eines freien Willens, ist jedem Menschen selbst die Wahl überlassen, ob er ethisch handeln will oder nicht. Freie Entscheidungen können nicht ausschließlich von äußeren Gegebenheiten, wie z.B. der Existenz von Institutionen abhängen.
 Nun wurde ansatzweise aufgezeigt, dass eine normative Ethik mit einer spontanen Ordnungstheorie unvereinbar ist. Lässt sich ein neues Argument finden, welches von der ethischen Natur der menschlichen Seele zu einer Aussage über die Ordnung der Gesellschaft hinführt?

 Prämisse 1: Die seelische Natur des Menschen ist eine ethische.
Prämisse 2a:  Die ethischen Handlungen oder Unterlassungen der einzelnen Menschen übertragen sich auf die ethische Ordnung der Gesellschaft, sofern es keine künstlich geschaffenen Institutionen oder Regelwerke gibt, die dies behindern.
Prämisse 2b: Jeder Mensch hat die freie Wahl nach seiner seelischen Natur zu leben, sofern er diese ergründet hat.
Prämisse 3: Die meisten Menschen würden, wenn sie sich ihrer seelischen Natur bewusst wären und keine Institution oder Regelwerke sie daran hinderten, sich zum größten Teil für ethische Handlungen entscheiden.
Prämisse 4: Eine ethische Ordnung der Gesellschaft lässt sich nicht konstruieren (da jede Umsetzung von gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Planung Freiheitsrechte einschränken und ein nicht vorhandenes Wissen voraussetzen würde)
Prämisse 5: Die Stillung aller Grundbedürfnisse, Bildung und eine menschenwürdige Behandlung (inkl. aller Freiheitsrechte) ist die beste Möglichkeit, die Menschen beim Ergründen ihrer seelischen Natur zu unterstützen.


Konklusion: Die Stillung aller Grundbedürfnisse, Bildung und eine menschenwürdige Behandlung ist der beste Weg, damit Menschen nach ihrer ethischen Natur handeln und sich diese natürliche Ordnung der Seele auf die Gesellschaft überträgt (sofern keine Institutionen diesen Vorgang behindern).

Damit die Grundbedürfnisse aller Menschen gestillt werden und alle Menschen Bildung und Freiheit genießen, ist jedoch zuerst eine ethische Ordnung der Gesellschaft notwendig. Diese lässt sich – soll sich der Staat heraushalten –  nur erreichen, wenn die Grundbedürfnisse aller gestillt werden und alle Menschen Bildung und Freiheit genießen. An diesem circulus vitiosus erkennt man, dass die Utopie, allein durch das Heraushalten des Staates aus allen wirtschaftlichen Vorgängen würde es allen Menschen gut gehen, nicht haltbar ist.
 Trotz allem lassen sich aus dem Denken Hayeks folgende Erkenntnisse gewinnen:     1) Die Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb ist das effizienteste (wenn auch nicht ethischste) Wirtschaftssystem. 2) Jeder Versuch, die Wirtschaft und Gesellschaft konstruktivistisch umzugestalten, wäre eine Anmaßung von Wissen und ist somit zum Scheitern verurteilt. 3) Da wir die Regelwerke im Ordnungsrahmen nicht neu erfinden können, müssen „wir uns auf die Steuerungsleistung allgemeiner Regeln verlassen, die sich in der Vergangenheit bewährt haben“ .  4) Die Gesetzgebung ist sehr anfällig dafür, einigen Gruppen Privilegien einzuräumen und dadurch den Wettbewerb zu behindern.

 

6. Grundsätze der Wirtschaftspolitik

 Mittlerweile haben fast alle Ökonomen eingesehen, dass weder ein reine Taxis- noch eine reine Kosmos- Gestaltung der Gesellschaft und Wirtschaft ethische Anforderungen erfüllt. Walter Eucken erkennt in seinen „Gründsätzen der Wirtschaftspolitik“ (1952), dass die individuellen Wirtschaftsordnungen der einzelnen Länder Mischformen der zwei Grundformen von Wirtschaftsplänen (Zentralverwaltungs- und Planwirtschaft) sind.  Trotz der Verwerfung einer Dichotomie von Kosmos und Taxis besteht aber weitgehender Konsens, dass beim Kriterium Effizienz, das auch eine große Auswirkung auf die soziale Gerechtigkeit hat (Wenn nichts oder wenig da ist, ist eine gerechte Verteilung kaum von Nutzen.), die freie Marktwirtschaft – also das Kosmos-Denken – ganz klar im Vorteil ist: Ein freier Markt ist das effizienteste Mittel, um Wohlstand (für die breite Masse?) zu schaffen. So bezeichnet Alexander Rüstow bei der Rechtfertigung der Marktwirtschaft „die Steigerung der Produktivität [als] eine überwirtschaftliche Forderung, eine soziale Forderung, eine ethische Forderung“ . Da eine freie Marktwirtschaft das „produktivste Wirtschaftssystem“  darstellt, müsse mit direkten Eingriffen in den Markt strengste Zurückhaltung geübt werden; der Staat dürfe nur in einer marktkonformen Weise, und zwar durch die Gestaltung des Marktrandes (d.h. des Marktrahmens), in die Wirtschaft eingreifen.  Damit spricht man sich auch (wie von Hayek das sehr deutlich tat) gegen die Theorie des Keynesianismus und dessen antizyklische Finanzpolitik zur Aufrechterhaltung der Gesamtnachfrage aus. 
Die Grundlagen, auf die sich alle liberalen Schulen einigen können, sind Walter Euckens Grundsätze der Wirtschaftspolitik: 1) „Die Politik des Staates sollte darauf gerichtet sein, wirtschaftliche Machtgruppen aufzulösen oder ihre Funktionen zu begrenzen.“  2) „Die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates sollte auf die Gestaltung der Ordnungsformen der Wirtschaft gerichtet sein, nicht auf die Lenkung des Wirtschaftsprozesses.“  Uneinigkeit besteht jedoch in der Frage der Gestaltung dieser Rahmenordnung, wenn man diese aus einer außer- bzw. überwirtschaftlichen Perspektive, z.B. aus einer anthropologischen oder ethischen betrachtet und dabei das Kriterium maximaler Effizienz nicht das alleinige Kriterium bleibt.
Idealtypisch kann man den Ordoliberalismus von anderen Ausprägungen des Neoliberalismus dadurch unterscheiden, dass bei ihm die Wirtschaft für den Menschen, in den anderen der Mensch für die Wirtschaft da ist; nach diesen Kriterien soll jeweils die Rahmenordnung der Wirtschaftsvorgänge gestaltet werden. Die Formen des Neoliberalismus, die den Menschen als reinen Wirtschaftsmenschen betrachten und eine totale Marktgesellschaft propagieren, sind (obwohl diese die Wirtschaftordnung als gesellschaftliche Konstruktion und nicht als Produkt einer natürlichen Evolution sieht) aus ethischer Perspektive ähnlich wie der Paläoliberalismus zu kritisieren: Das Ziel der wirtschaftlichen Entwicklung besteht in diesen Theorien ausschließlich in der Effizienzsteigerung. Eine gerechte Verteilung des Reichtums und eine Annäherung der Chancengleichheit aller Menschen wird der Markt von selbst nie erreichen.

 

7. Eine soziale Gestaltung der globalen Rahmenordnung

Es ist ein großer Spagat, den die ordoliberalen Schulen zu machen versuchen: Wie lässt sich der Markt nach ethischen Kriterien umgestalten, ohne dabei in den Markt einzugreifen, was zu einer Senkung der Produktivität führen und damit den ethischen Zielen entgegenlaufen würde ?
Wilhelm Röpke beschreibt den Grundgedanken wie folgt: „Die Marktwirtschaft ist nicht alles. Sie muß in eine höhere Gesamtordnung eingebettet werden, die nicht auf Angebot und Nachfrage, freien Preisen und Wettbewerb beruhen kann“.  Im kommunitarischen Flügel des Ordoliberalismus ist das Gestaltungskriterium der Rahmenordnung die Lebensdienlich-keit. Alexander Rüstow stellt den Begriff der Vitalpolitik auf, die „auf eine anthropologische Fundierung der Sozialpolitik hinausläuft“ . Der Staat müsse in einer marktkonformen  Weise, und zwar durch die Gestaltung des Marktrandes (d.h. des Marktrahmens), in die Wirtschaft eingreifen, und zwar mit der Zielsetzung, die ‚vita humana‘, d.h. das menschenwürdige Leben zu fördern .
 In der heutigen Zeit ist es jedoch für den einzelnen Nationalstaat nicht oder kaum mehr möglich, den Marktrand zu gestalten. Nationale Märkte existieren praktisch nicht mehr: Waren und Dienstleistungen können heutzutage global angeboten und nachgefragt werden; Geld lässt sich in Sekundenschnelle über den ganzen Erdkreis hinweg transferieren. Der „Prozess zunehmender Entfesselung und Entgrenzung unter völlig inadäquaten weltweiten Rahmenbedingungen“  führte in den letzten Jahrzehnten zunehmend zu einem Verlust des Primats der Politik. Franz-Josef Radermacher charakterisiert den Globalisierungsprozess wie folgt:
 „[Der Globalisierungsprozess läuft] wegen fehlender internationaler Standards und Regulierungsmöglichkeiten und der daraus resultierenden Fehlorientierung des Weltmarktes dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung, also dem Schutz des Sozialen, der Förderung von Fairness und Ausgleich zwischen den Kulturen und vor allem der globalen ökologischen Stabilität entgegen.“ 

Um Rahmenbedingungen für eine globale ethische (öko-soziale) Marktwirtschaft setzen zu können, bedarf es globaler Institution, die Rahmenbedingungen für den gesamten Markt setzen können. Existierende Institutionen wie die WTO, der IWF oder die Weltbank sind „zwar international, aber nicht kosmopolitisch“ , d.h. „sie gründen auf Interessenabsprachen zwischen Nationalstaaten und ihren Repräsentanten […] In solchen Metainstitutionen bilden nicht die Bürger den Souverän, sondern die Staaten“  Überspitzt könnte man die heutigen politischen wie wirtschaftlichen globalen Institutionen in Anlehnung an Max Stirner als Vereine der Egoisten bezeichnen.
 Schon auf der Konferenz von Bretton Woods, wo im Jahr 1944 die Grundstruktur eines globalen Finanzsystems mitsamt seiner Organisationen IWF und Weltbank ausgearbeitet wurde, diskutierten die beteiligten 44 Staaten über mehrere Gestaltungs-vorschläge zum internationalen Finanzsystem; die meisten dieser Vorschläge sind jedoch nie über den Diskursstatus hinausgekommen.  Neben einer internationalen Kreditversicherungs-anstalt  und einem internationalen Konkursgerichtshof  wurde auch eine internationale Finanzregulierungsbehörde  in Betracht gezogen.
 Der amerikanische Ökonom James Tobin entwickelte in den 70er Jahren „als Reaktion auf den Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems der fixen Wechselkurse“  die Idee der Einführung einer globalen Devisentransaktionssteuer. Der strukturelle Grundgedanke Tobins zielt darauf ab, es Investoren zu erschweren, „gegen die Währung zu spekulieren und so die Gefahr einer Krise zu senken“ ; Würde eine solche Steuer wie von Tobin vorgeschlagen geringe 0,5% bemessen, würde dies hoch genug sein, um spekulative Transaktionen am Devisenmarkt weniger attraktiv zu machen und damit die Finanzmärkte stabilisieren, sie würde aber auch tief genug sein, um „nur vernachlässigbar geringe Störungen auf den Gütermärkten“  auszulösen. Der Ertrag von 200 Milliarden Dollar pro Monat  müsste – um eine sozialgerechte Umverteilung zu garantieren – für eine Förderung der weltweiten Chancengleichheit ausgegeben werden, d.h. zuallererst zur Stillung der Grundbedürfnisse aller Menschen, Sicherung des Friedens, stärkerer Umsetzung der Menschenrechte und natürlich auch für die wirtschaftliche Entwicklung ärmerer Länder. Auch die Millenniumsziele der UN  könnten mit diesen finanziellen Mitteln leicht erreicht und sogar übertroffen werden.
 Die Einnahmen-Seite einer möglichen öko-sozialen Marktwirtschaft ist mithilfe der Tobinsteuer marktkonform, da diese – falls sie global und ohne Ausnahme erhoben wird – den Marktmechanismus nicht behindert und niemandem Privilegien einräumt.  Wie lassen sich jedoch auf der Ausgaben-Seite all diese sozialen Ziele durch ausschließlich marktkonformes Eingreifen erreichen?

 

8. Marktkonforme Eingriffe

Die Aufgaben des (Welt-)Staates lassen sich zusammenfassend in die drei Ebenen der Sozialität aufteilen: Garantie des freien Wettbewerbs; Ordnungspolitik mit dem Ziel der Chancengleichheit und der Wahrung der Menschenrechte; Umverteilung des Reichtums zum Vorteil der durch physische (und historische) Faktoren Benachteiligten, wobei das vorrangige Ziel sein muss, die physischen Mindestbedürfnisse aller Menschen zu befriedigen.
(Welt-)Staatliche Eingriffe in die Wirtschaft sind (wenn die Marktkonformität gewahrt werden will) nur bei meritorischem Bedarf und bei Marktversagen erlaubt. Das meritorische Gut bezeichnet ein Gut, welches einen großen ökonomischen Nutzen stiftet, aber nicht in ausreichendem Maße nachgefragt wird, da der Nutzen entweder nicht in breiter Öffentlichkeit bekannt ist oder sich erst in Zukunft auswirkt. Solche Güter sollten vom Staat subventioniert werden; zu ihnen zählen z.B. eine gesetzliche Altersversicherung, Drogenprävention, die Gurtpflicht beim Autofahren und der Umweltschutz. Ein Marktversagen kommt meist dadurch zustande, dass die Voraussetzungen zur Herausbildung eines effizienten Marktgleichgewichts nicht erfüllt werden. Wegen der Komplexität dieser Thematik soll hier Marktversagen nur mithilfe des Saure-Gurken-Problems von G.A. Akerlof, einem Unterfall des Versagens durch asymmetrische Information, beispielhaft dargestellt werden:

„[Im Gebrauchtwagenmarkt] kennen die Verkäufer als Eigentümer die Qualität ihres Gebrauchtwagens genau. […] Für die Käufer ist es unmöglich, die Qualität eines einzelnen Fahrzeugs genau zu beurteilen. Sie bewerten alle Fahrzeuge eines Fahrzeugtyps gleich und kennen somit nur die durchschnittliche Qualität dieses Typs. Da vor Vertragsabschluss die eine Marktseite besser über die Qualität des Produkts informiert ist, liegt eine Informationsasymmetrie vor. Ein Informationsaustausch zwischen den Anbietern und den Nachfragern wird ausgeschlossen. Aufgrund dieser Informationsasymmetrie werden alle Autos zunächst zu einem gleichen Preis gehandelt, der die durchschnittliche Qualität widerspiegelt. Während auf der einen Seite die Anbieter schlechter Qualitäten hiervon profitieren, wird auf der anderen Seite der Verkäufer eines überdurchschnittlich guten Wagens keinen höheren Preis realisieren können, da der Käufer die gute Qualität nicht erkennen kann. Dies bedeutet, dass Güter unterschiedlicher Qualität nicht mehr zu unterschiedlichen Preisen gehandelt werden.
Die Zahlungsbereitschaft der Käufer in Höhe des nur durchschnittlichen Preises führt dazu, dass Verkäufer guter Autos nicht mehr bereit sind, ihr Fahrzeug zu diesem aus ihrer Sicht zu niedrigen Preis auf dem Markt anzubieten. Es werden folglich nur noch schlechte Autos, die ‚lemons‘ gehandelt, die guten werden aus dem Markt gedrängt. Dieses Phänomen wird adverse selection (Negativauslese) genannt. […] [Dies führt letztlich dazu, dass] der Markt mithin schrumpft oder sogar ganz zusammenbricht.“

Der Fall des Marktversagens, der bei Gebrauchtwagen im Hinblick auf eine öko-soziale Weltwirtschaft ziemlich unbedeutend erscheint, ergibt sich bei anderen Beispielen jedoch als sehr ausschlaggebend: Die Nachfrage eines Produktes wird von den Konsumenten (meist aufgrund mangelnder Informationen oder aber auch der Ignoranz, diese Informationen nicht wahrhaben zu wollen) kaum mehr davon abhängig gemacht, wie das Produkt entstanden ist, ob bei diesem Produktionsprozess Mensch oder Tier ausgebeutet wurde, was dieser Produktionsprozess für Auswirkungen auf die Umwelt hat, wie groß der Ressourcenverbrauch für dieses Produkt ist und welche Auswirkung dieses Produkt auf die Gesundheit des Konsumenten hat.
Vom Argument dafür, dass Menschen, die der ethischen Natur ihrer Seele bewusst sind, eine ethische Ordnung der Gesellschaft fordern (Seite 8), müssen die Prämissen 2a und 3 neu überdacht werden: Der freie Markt wird vorwiegend durch Konsum, d.h. das Angebot wird vor allem durch die Nachfrage gesteuert; eine erhöhte Nachfrage von Produkten, die eine ethische Ordnung der Welt fördern, führt zu einer verstärkt ethischen Ordnung der Welt; eine erhöhte Nachfrage von Produkten, die eine ethische Ordnung der Welt fördern, setzt das Wissen der Konsumenten um die ethische Qualität dieser Produkte voraus. Dies ist die ethische Variante von Marktversagen durch asymmetrische Information. Dieses Marktversagen zeigt sich u. a. daran, dass der Anteil der Discounter in Deutschland am Lebensmitteleinzelhandel bei über 30 Prozent (mit steigender Tendenz) liegt  und Produkte aus Fairem Handel immer noch Marktnischen darstellen.

 

9. Ethischer Konsum als Grundlage eines ethischen Marktes

Da Verbraucher nicht bei jedem Einkauf alle ausschlaggebenden Informationen über ein Produkt in Erfahrung bringen können, müssen einerseits international ethische Mindeststandards für die Herstellungsbedingungen von Gütern festgelegt werden (z.B. Verbot von Kinderarbeit, Verbote von gesundheitsgefährdenden Stoffen in Lebensmitteln  oder Genussmitteln, bzw. das Versehen der Produkte mit entsprechenden Warnhinweisen, wie dies bei Tabak in der EU mittlerweile umgesetzt wurde), andererseits müssen den Verbrauchern mehr Informationen über alle Produkte besser zugänglich gemacht werden. „Letztlich geht es darum, die Konsumentensouveränität, die die ökonomische Theorie einfach als gegeben voraussetzt, durch geeignete institutionelle Rahmenbedingungen und Unterstützungsformen zu fördern und für reflektierende Konsumenten real lebbar zu machen.“  Dies gelingt durch Konsumenteninformationen, Konsumentenberatung und durch „das öffentliche Engagement für die politische Realisierung einer fortschrittlichen Gesetzgebung im Bereich des Konsumentenschutzes“ . Die Kennzeichnungspflicht von gentechnisch veränderten Produkten, die Stiftung Warentest oder das Biosiegel sind erste Schritte auf diesem Weg.
Wie kann ein Produkt mehr oder weniger ethisch sein? Dies kann man neben den Herstellungsbedingungen vor allem mit dem Ressourcenaufwand zur Herstellung einschätzen; mögliche Kriterien sind Flächennutzung, Energieverbrauch oder Wasserverbrauch. Wilhelm Röpke erwartet von einer sozialen Weltordnung dass sie „die natürlichen Reichtümer der Erde jedem Lande [und durch anschließende gerechte Verteilung in den einzelnen Ländern auch jedem Menschen] zu gleichen Bedingungen zugänglich macht“ . Im Moment stehen im weltweiten Durchschnitt für jeden Menschen 325 kg Getreide pro Jahr zur Verfügung (bei einer durchschnittlichen zur Kultivierung nutzbaren Fläche von 2.700 m² pro Kopf der Weltbevölkerung).  Ein durchschnittlicher Österreicher verbraucht etwa 560 kg Getreide pro Jahr, ein durchschnittlicher Nordamerikaner sogar um die 900 kg, wobei davon über zwei Drittel an Vieh verfüttert wird; sie verbrauchen also 70% respektive 175% zu viel.  Würden alle Menschen diese Menge an Getreide (direkt und indirekt) verbrauchen, könnten mit der weltweiten Getreidemenge nicht mehr als 3,8 bzw. 2,4 der 6,6 Milliarden Menschen ernährt werden.  Aus einer verteilungsgerechten Sichtweise ist es also nicht das einzelne Produkt (oder der einzelne Schwimmbadbesuch oder die einzelne Autofahrt), das ethisch oder unethisch ist, sondern der Gesamtverbrauch jeder einzelnen Person an Ressourcen. Andererseits gibt es auch Einzelprodukte, bei denen der Konsum unethisch ist; das sind z.B. Produkte aus Kinderarbeit oder unwürdigen Arbeitsbedingungen, Aktien von ökologisch destruktiv agierenden Firmen, Pelze, gentechnisch veränderte Lebensmittel. Ethischer Konsum beinhaltet also sowohl eine beschränkte Quantität als auch eine zureichende ethische Qualität der Konsumgüter einer Person.
Da in einem freien Markt jedoch kein direkter Einfluss auf die gerechte Verteilung der Ressourcen genommen werden darf (dies wären stark marktinkonforme Eingriffe), ist es notwendig, dass weit reichend informatorische Eingriffe vorgenommen werden. Je mehr Menschen sich der Problematik der gerechten Verteilung der Ressourcen und damit der wirtschaftlichen Güter bewusst sind, desto mehr ändert sich das Konsumverhalten in eine ethische Richtung (sofern sich die Menschen der ethischen Natur ihrer Seele bewusst sind, also ethisch handeln wollen). Wie schon erwähnt, führt ein ethisches Konsumverhalten verstärkt zu einer ethischen Ordnung der Weltwirtschaft, und zwar spontan, d.h. ohne staatliche Eingriffe (vgl. S. 8).
Die Herausbildung eines ethischen Konsumverhaltens ist einerseits eine Sache der schulischen Bildung, noch viel mehr aber eine Sache der Erziehung und der kulturellen Prägung. Die Aufgabe des Staates zur Stärkung des ethischen Konsumverhaltens beinhaltet also Eingriffe des Staates in das Bildungssystem und in die Erziehung. 
Zum Abschluss fasse ich die Grundgedanken dieser Arbeit in einer These zusammen, die ich aus der Konklusion des 2. Argumentes (6. Kapitel) und aus den Gedanken dieses Kapitels abgeleitet habe; sie zeigt nach meinem Erachten einen Weg zu einer ethischen Ordnung der Weltwirtschaft:

Die Stillung aller Grundbedürfnisse, eine menschenwürdige Behandlung und Bildung, vor allem im Bereich der ethischen Auswirkungen des Konsumverhaltens, führt verstärkt dazu, dass Menschen nach ihrer ethischen Natur handeln. Daraus ergibt sich – sofern keine Institutionen oder Regelwerke dies behindern – ein ethisches Konsumverhalten, aus dem sich eine ethische Ordnung der Weltwirtschaft ergibt. So überträgt sich die natürlich ethische Ordnung der Seele auf die Gesellschaft.

 

 

 

 


Literaturverzeichnis


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MISES, Ludwig von, Art. Liberalismus, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften 6, Stuttgart – Tübingen – Göttingen 1959, 596-603.

MÜLLER, Johannes / WALLACHER, Johannes, Entwicklungsgerechte Weltwirtschaft. Perspektiven für eine sozial- und umweltverträgliche Globalisierung, Stuttgart 2005.

RADERMACHER, Franz-Josef, Der Wirtschaftsstandort Deutschland: Herausforderung für Menschen, Unternehmen und die Politik, 2005,
www.faw-neu-ulm.de/uploads/media/standort_d_2005_01.pdf (5.9.2006).

RÖPKE, Wilhelm, Civitas Humana. Grundfragen der Gesellschafts- und Wirtschaftsreform, Bern – Stuttgart 41979.

RÖPKE, Wilhelm, Jenseits von Angebot und Nachfrage, Bern – Stuttgart 51979.

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SINGER, Peter, Praktische Ethik, 2. revidierte und erweiterte Auflage, Stuttgart 2004.

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VANBERG, Viktor, Friedrich A. Hayek und die Freiburger Schule, in: ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft 54 (2003), 3-20.

WÖLDECKE, Klaus, Lebensmitteleinzelhandel. Nur die Größten überleben den Preiskampf, in: HEUSINGER, Eva u.a. (Hgg.), Einkaufen verändert die Welt. Die Auswirkungen unserer Ernährung auf Umwelt und Entwicklung, Frankfurt 1999, 79-92.

 

Fußnoten

  Eucken,  Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 100.
  Ebd., 373.
  Lenel, Walter Euckens »Grundlagen der Nationalökonomie«, 6.
  Müller / Wallacher, Entwicklungsgerechte Weltwirtschaft, 109.
  Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, 45.
  Müller / Wallacher, Entwicklungsgerechte Weltwirtschaft, 109.
  Aristoteles, Nikomachische Ethik, V.5.5, 1130f (Wolf, 166).
  Habermann, Ordnungsdenken, 173.
  Vgl. Popper, Der Zauber Platons, 82-88 sowie 126-168.
  Habermann, Ordnungsdenken, 176.
  Vgl. Lev 25, 23.
  Vgl. Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 45, sowie das Werk Das Kapital von Karl Marx.
  Marx / Engels, Manifest, IV. Kapitel.
  Hayek, Die Verfassung der Freiheit, 30.
  „Der Kern der liberalen Position ist die Ablehnung jegliches Privilegs.“ in: Hayek, The Road to Serfdom, ix f. Vgl. dazu auch Mises, Liberalismus, 599f, sowie Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 334-336.
  Vgl. Vanberg, Friedrich A. Hayek, 15.
  Vgl. ebd., 13.
  Vgl. dazu Hayek, Die Verfassung der Freiheit, 39.
  „In die Frage nach der Legitimation eines Wirtschaftssystems müssen die Kriterien der Effizienz und des sittlich Guten gemeinsam eingehen.“, in: Koslowski, Wirtschaftsethik, 98.
  Vgl. Gray, Freiheit im Denken Hayeks, 71.
  Vgl. Vanberg, Friedrich A. Hayek, 8f.
  Vgl. z.B. Singer, Praktische Ethik, Kapitel 3: Gleichheit und ihre Implikationen, 33-81.
  Habermann, Ordnungsdenken, 182.
  Ebd.
  Ebd.
  Ebd., 171.
  Rüstow, Paläoliberalismus, Kommunismus und Neoliberalismus, 70;
vgl. dazu auch Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, 168-176.
  Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik, 44.
  Vgl. ebd., 44-49
  Vanberg, F.A. Hayek und die Freiburger Schule, 7.
  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 19-25.
  Rüstow, Wirtschaft als Dienerin der Menschlichkeit, 10.
  Ebd., 9.
  Vgl. Rüstow, Paläoliberalismus, Kommunismus und Neoliberalismus, 68.
  Vgl. Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, 334.
  Ebd., 336.
  Röpke, Jenseits von Angebot und Nachfrage, 21 und 23.
  Rüstow, Paläoliberalismus, Kommunismus und Neoliberalismus, 68.

  Nach ihrer Wirkung auf den Markt unterschied Adam Smith zwischen marktkonformen und marktinkon-formen Interventionen, d.h. solche die den Marktmechanismus ganz oder teilweise ausschalten. Zu den marktkonformen Eingriffen gehören nach Smith Subventionen und Steuererhöhungen oder –senkungen, insbesondere bei der Mehrwertsteuer, da  bei einem solchen Eingriff das Angebot-Nachfrage-Verhältnis weiterhin den Preis bestimmen kann. Mindest-, Höchst- oder Festpreise für Waren oder den Faktor Arbeit sind jedoch marktinkonform, setzen also den Preismechanismus außer Kraft und bedürfen meist noch weiter reichender Folgeinterventionen. (Vgl. Wagner, Rolf, Arbeitsblätter zum Leitfaden VWL: Marktinterventionen; http://www.wagner-berlin.de/pdf/am8.pdf, 14.9.06)

  Vgl. Rüstow, Paläoliberalismus, Kommunismus und Neoliberalismus, 68.
  Radermacher, Der Wirtschaftstandort Deutschland, 2.
  Ebd.
  Cobbers, Die Globalisierung der Finanzmärkte, 148.
  Bohmann, Die Öffentlichkeit des Weltbürgers, 108.
  Vgl. Cobbers, Die Globalisierung der Finanzmärkte, 146.
  Vgl. ebd. 153.
  Vgl. ebd. 151.
  Vgl. ebd. 153.
  Ebd. 158.
  Ebd.
  Ebd. 159.
  Nach eigener Rechnung. Der tägliche Umsatz des Forex (Foreign Exchange Market) beträgt nach eigenen Angaben 1,9 Billionen Dollar. Vgl. http://www.forex.com/history_forex.html (19.04.2006). Ausgegangen wird von Steuereinzugskosten, die bei etwa 30% des Steueraufkommens liegen.
  Vgl. http://www.un.org/millenniumgoals/
  Vgl. dazu Fußnote 15 und 39.
  Borchert / Goos, Analysen von Märkten mit asymmetrischer Information, 5-6.

  Vgl. Wöldecke, Lebensmitteleinzelhandel, 87. (Der Anteil von über 30 Prozent ist auf das Jahr 1999 datiert. Mittlerweile müsste der Anteil der Discounter am Lebensmitteleinzelhandel schon bei 40-50% liegen.)

  Die verbreitete Meinung ist, dass alle die Gesundheit gefährdenden Stoffe in normalen Lebensmitteln verboten sind. Das ist ganz und gar nicht der Fall. Z.B. werden die meisten abgepackten Wurst- und Käsewaren mit Nitraten (Nitritpökelsalz) länger haltbar gemacht. Nitrate sind in mittleren Mengen, die bei täglichem Wurstkonsum jedoch leicht erreicht werden können, nachweislich krebserregend.

  Ebd., 330.
  Ebd.
  Röpke, Civitas Humana, 177.
  Vgl. Krämer, Entwicklungsland Deutschland, 107.
  Vgl. ebd. sowie Singer, Praktische Ethik, 281.

  Der UN-Sonderberichterstatter Jean Ziegler fasst diese Problematik etwas überspitzt auf der Abschlusskundgebung der Friedensbewegung in Berlin am 21. Mai 2002 zusammen: „Die Weltlandwirtschaft könnte heute ohne Probleme 12 Milliarden Menschen ernähren. […] Wer heute am Hunger stirbt, wird ermordet.“ Peter Singer plädiert hingegen juristisch korrekter auf fahrlässige Tötung.
  Dabei lässt sich eine Parallele zur Pflicht des Staates erkennen, politisch zu bilden und damit eine Demokratie überhaupt zu ermöglichen; schon die Weimarer Verfassung  bestimmte in Artikel 148, dass in allen Schulen „staatsbürgerliche Gesinnung“ anzustreben sei. Vgl. Detjen, Die Demokratiekompetenz der Bürger, 11.

 

 

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